8+1 Fakten über Vincent van Gogh, die nicht jede:r kennt

Viele Künstler:innen gehören einfach zum Kanon der Kunstgeschichte. Es ist, als wären sie schon immer dort gewesen. Wir kennen sie aus den Museen, dem Fernsehen und aus Filmen. Um die Kunstschaffenden griffiger zu gestalten, geraten hier und dort aber auch interessante Details und Bereiche ihres Lebens in den Hintergrund. Heute habe ich daher 8+1 Fakten über Vincent van Gogh für euch. Denn Vincent van Gogh kennen wir doch alle… oder?

1. Van Gogh und sein Bruder schrieben sich über 700 Briefe

Vincent van Gogh und sein Bruder Theo van Gogh hielten über viele Jahre hinweg engen Kontakt zueinander. Im September 1872 beginnt der Briefwechsel zwischen dem 27 jährigen van Gogh und seinem vier Jahre jüngerem Bruder Theo.

Anhand der Briefe können sowohl Vincent van Goghs Reiserouten rekonstruiert werden als auch seine sozialen Begegnungen und Erinnerungen. Darüber hinaus sind die Briefe Zeugnis der vielseitigen künstlerischen Eindrücke van Goghs. Die Korrespondenz gilt daher als eine der wichtigsten Quellen der van Gogh-Forschung. Die Briefe wurden mehrfach verlegt und können online unter http://vangoghletters.org aufgerufen werden.

2. Van Gogh malte viele Bilder mit dem selben Motiv

Vincent van Gogh malte viele seiner Motive, auch Sujets genannt, mehrmals. Ein gutes Beispiel sind hierbei seine Sonnenblumen. Wusstet ihr, dass es von ihnen insgesamt fünf sehr ähnliche Bilder gibt? Bei einem ist sich die Forschung bis heute nicht sicher, ob es sich um einen authentischen van Gogh handelt – aber das ist ein Thema für einen weiteren Artikel.

Übrigens: In der Forschung spricht man hierbei nicht von Kopien, sondern von Variationen, da sie vom Maler selbst angefertigt wurden. Wenn ihr euch die Bilder genauer anschaust, seht ihr, dass es sich nicht um exakte Repliken handelt, also nicht um 1 zu 1 umgesetzte Wiederholungen.

3. Van Gogh wollte Pfarrer werden

Wie sein Vater, wollte auch Vincent van Gogh Pfarrer werden. Im Jahr 1878 war er Hilfsprediger in der belgischen Borinage, einer Industrielandschaft, die seinerzeit vom Kohlebau geprägt war. Das Leben der Arbeiter:innen und ihrer Familien war für van Gogh sehr prägend. Einen Einblick in die künstlerische Verarbeitung seiner Erfahrungen zeigt beispielsweise das Gemälde Die Kartoffelesser.

Wegen unangebrachtem Verhalten konnte Vincent van Gogh die Ausbildung nicht abschließen und auch seine Arbeit als Hilfsprediger endete. Was wohl aus ihm und seiner Kunst geworden wäre, wenn er als Pfarrer gearbeitet hätte?

4. Johanna van Gogh-Bonger ist entscheidend an seinem Erfolg beteiligt

Hinter Vincent van Goghs Erfolg steht an prominenter Stelle eine Frau: Johanna van Gogh-Bonger. Sie war Vincents Schwägerin. Nach seinem Tod im Jahr 1890 erbte sein Bruder Theo seinen gesamten Besitz, und somit auch seine Werke. Nachdem auch Theo 1891 verstarb, erbte wiederum Theos und Johannas gemeinsamer Sohn (der auch den Namen Vincent trug) die Arbeiten.

Doch es war Theos Witwe Johanna van Gogh-Bonger, die den Nachlass von etwa 550 Gemälden und noch mehr Zeichnungen verwaltete. Sie sorgte dafür, dass seine Werke ausgestellt wurden und die Öffentlichkeit an seiner Kunst teilhaben konnte. Eine richtige Van-Gogh-Expertin war sie aber nicht: Sie hatte keine kunsthistorische oder künstlerische Ausbildung und zu Lebzeiten hatten die beiden wenig Kontakt.

Ob tatsächlich alle Werke wirklich von van Gogh selbst waren, können wir heute kaum mehr nachvollziehen. Fest steht, dass Johanna van Gogh-Bonger entscheidend an der heutigen Bekanntheit Vincent van Goghs beteiligt war.

5. Van Gogh konnte verschiedene Sprachen sprechen

Der gebürtige Niederländer lebte sowohl in England als auch in Frankreich und konnte sich überall gut verständigen. Er konnte die Sprachen Niederländisch, Französisch und Englisch nicht nur vestehen und sprechen, sondern auch lesen und scheiben. Die eingangs erwähnten Briefe sind übrigens wechselweise in allen drei Sprachen verfasst.

Er hatte auch Unterricht in Latein und Griechisch, aber diese beiden Sprachen bereiteten ihm trotz seiner anderen Sprachkenntnisse große Mühen.

6. Eines von Van Goghs Vorbildern war Jean-François Millet

Van Gogh bewunderte viele Künstler. Er besuchte zahlreiche Museen und Ausstellungen und nicht zuletzt durch seine familiäre Nähe zum Kunsthandel, in dem er selbst zeitweise arbeitete, hatte er viele Eindrücke in die Kunstwelt. Ein großes Vorbild war Jean-François Millet. Auch dies ist ein Detail, das aus den Briefen ersichtlich wird.

An Millet faszinierte van Gogh das Verständnis von Natur und den Menschen im ländlichen Raum sowie die Tiefe, die er in einfache Motive legt (siehe hierzu z.B. seine Korrespondenz im Januar 1890 und Mai 1890).

Schaut doch mal bei diesem Winter-Fundwerk vorbei, in dem ich van Goghs Werk Schneebedecktes Feld mit Egge (nach Millet) vorstelle. Hier könnt ihr den direkten Vergleich der beiden Künstler sehen. In einem anderen Fundwerk zeige ich euch ein weiteres Werk von Millet.

7. Van Goghs Werke waren schon zu seinen Lebzeiten in Umlauf

Die allgemein verbreitete Meinung, dass Vincent van Gogh zu Lebzeiten kein einziges Gemälde verkaufte, stimmt nicht. Nach aktuellem Stand konnte er immerhin eines zu Geld machen: Das Gemälde Der rote Weinberg wurde im Jahr 1890 an Anne Boch verkauft. Sie war die Schwester eines Freundes van Goghs, Eugene Boch, den er auch porträtierte.

Vincent van Gogh: Der rote Weinberg (Montmajour), 1888. Öl auf Leinwand, 73 x 91 cm. The Pushkin State Museum of Fine Arts, Moskau | Quelle: Wikimedia Commons.

Interessant ist, dass van Goghs Werke trotzdem schon zu seinen Lebzeiten im Umlauf waren. Er verschenkte vieler seiner Bilder oder tauschte sie als Bezahlung ein. Seine Werke kamen allerdings in diesem Kontext nicht besonders gut an – die Anerkennung, mit Unterschriften auf Servierten zu bezahlen, kam van Gogh nicht zugute.

8. Das Ohr sorgt noch immer für Rätsel

Die Forschung ist sich uneins, wie viel von Vincent van Goghs Ohr tatsächlich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Vom ganzen Ohr bis hin zum kleinen Teil des Ohrläppchens ist jede Theorie dabei!

In ihrer Publikation Van Goghs Ohr. Paul Gauguin und der Pakt des Schweigens stellen die Kunsthistorikerin Rita Wildegans und der pensionierte Lehrer Hans Kaufmann sogar die These auf, dass sich van Gogh gar nicht selbst das Ohr abschnitt, sondern sein ehemaliger Mitbewohner Paul Gauguin ihn angegriffen habe.

Ich selbst finde aus medizinischer Sicht den Gedanken plausibel, dass es sich nur um einen kleinen Teil des Ohrs handelte. Wer dafür aus welchen Motiven verantwortlich war, ist heute wohl schwer festzustellen.

Der Krimi um das Ohr ist also längst nicht gelöst. Aber ist es für die Erforschung seines künstlerischen Schaffens wirklich wichtig zu wissen, was mit dem Ohr geschah?

+1 Es gibt zahlreiche Comics über van Gogh

Comics über Künstler:innen? Na klar, und Vincent van Gogh ist da keine Ausnahme!

Wenn ihr gerne mehr über das Leben und Schaffen von Vincent van Gogh erfahren möchtet oder eure Begeisterung an andere weitergeben wollt, kann ich euch wärmsten zwei Comics über Vincent van Gogh empfehlen. Sie sind beide in Zusammenarbeit mit dem Van Gogh Museum in Amsterdam entstanden.

Der Comic Vincent von Barbara Stok legt den Fokus auf Vincent van Goghs Person und seinen Werdegang. Sehr einfühlsam gibt sie einen entschleunigenden Einblick in sein Schaffen. Der Comic lässt den Leser:innen Zeit, in die Geschichte und die einzelnen Panels einzutauchen.

Jan Kragt und Marc Verhaegen zeigen van Gogh in Vincent van Gogh. An Artist’s Struggle hingegen als ringenden Künstler. In einer sehr dichten Erzählweise, die sich mit mehreren Zeitebenen über van Goghs Leben spannt, gibt der Comic einen tiefgehenden Einblick in sein Künstlerleben.

Diese beiden Comics habe ich übrigens in einem Seminar während meines Studiums untersuchen können. Wenn euch mein Vorgehen bei der (kunsthistorischen) Comic-Analyse und die genaueren Ergebnisse interessieren, lasst gerne ein Kommentar da!


Weiterführende Literatur

  • Denekamp, Nienke / Blerk, René van / Meedendorp, Teio (Hrsg.): Der große Van Gogh-Atlas. München 2017.
  • Koldehoff, Stefan: Van Gogh. Mythos und Wirklichkeit. Köln 2003.
  • Kragt, Jan / Verhaegen, Marc: Vincent van Gogh. An Artist’s Struggle. Culemborg 2011.
  • Stok, Barbara: Vincent. London 2012.
  • Tralbaut, Marc Edo: Vincent van Gogh. New York 1969.
  • Vincent van Gogh: Briefe, Edition Werke der Weltliteratur Bd. 683. Stuttgart 2019.
  • Walther, Ingo F.: Vincent van Gogh. 1853-1890. Vision und Wirklichkeit. Köln u.a. 2004.
  • Walther, Ingo F. / Metzger, Rainer: Van Gogh. Sämliche Gemälde (Bibliotheka Universalis). Köln 2019.

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